Was ist Wendo?

Frauen und Mädchen stärken

Wendo [WomEN DO it!] wurde in den 70er Jahren in den USA und Kanada entwickelt und heißt übersetzt der Weg der Frauen. Hinter dem Namen Wendo steht ein ganzheitliches und frauenparteiliches Konzept, basierend auf modernsten pädagogischen und psychologischen Methoden, um das Selbstvertrauen und die Selbstsicherheit von Frauen und Mädchen zu stärken.

Wendo entstand aus dem Gedanken, dass eine effektive Art der Selbstverteidigung der geschlechtsspezifischen Sozialisation von Frauen Rechnung tragen muss. Zu effektiver Selbstverteidigung gehört daher eine Auseinandersetzung mit Angst, Passivität und Hemmungen sich zu wehren.

Wendo ist kein Kampfsport. Im Unterschied zu Kampfsportangeboten sind insbesondere alltägliche Belästigungs- und Übergriffssituationen Thema in unseren Kursen. Das Hinzufügen einer psychologischen und/oder juristischen Einheit an ein Kampfsporttraining macht noch kein Wendo-ähnliches Konzept.

Wendo setzt auf sich Durchsetzen und Wehren mit Sprache, Stimme und Körperhaltung im Vorfeld jeglicher körperlichen Auseinandersetzung. Wendo heißt die eigenen Möglichkeiten und Stärken zu erkennen und diesen zu vertrauen. So können Konflikte und Bedrohungssituationen in einem deeskalierenden Sinne erfolgreich gelöst werden.

In unseren Wendo-Kursen können Frauen und Mädchen lernen:

  • sich ernst und wichtig zu nehmen
  • Situationen realistisch einzuschätzen
  • ihre Grenzen zu erkennen und zu verteidigen
  • Zielbewusst und entschlossen zu handeln
  • ihre Kraft und Stärke (wieder) zu entdecken

Und zwar durch:

Selbstbehauptungstraining, mit Übungen zu Körpersprache, Rollenspielen, Gesprächen, Intutitions– und Entspannungsübungen sowie Atem– und Stimmübungen

Selbstverteidigungstraining, mit einfachen, aber wirksamen Befreiungs– und Abwehrtechniken .... Verbunden mit kraftvollem Stimmeinsatz.

In der Untersuchung „Knowledge and Know-how: the Role of Self-defence in the Prevention of Violence against Women“ von Liz Kelly/ Nicola Sharp-Jeffs aus dem Jahr 2016 konnten die Autorinnen feststellen, dass feministische Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse, zu denen auch Wendo gehört, verschiedene positive Effekte zeigen: Die Trainings führen bei den Teilnehmerinnen zu gesteigertem Durchsetzungsvermögen und stärkerem Selbstwertgefühl. In den Kursen wird anerkannt, dass Frauen (und Mädchen) sich oft schon erfolgreich gegen Gewalt gewehrt haben und dass Frauen und Mädchen dazu in der Lage sind. Wenn die Kurse teilnehmerinnenorientiert durchgeführt werden, funktionieren sie bei allen Formen von Gewalt, mit denen Frauen konfrontiert sind. Sich zur Wehr zu setzen führt nicht zu einer Erhöhung der Gefahr von Verletzungen. Wendokurse können Traumasymptome reduzieren.

Die Trainings verringern sowohl den Umfang an Gewalt als auch die Wahrscheinlichkeit, dass Angriffe durchgezogen werden: Sie dienen der Gewaltprävention.

 

Inhalte und Ziele von Wendo

Zu Wendokursen gehören Informationen zu Gewalt gegen Frauen: Wer übt Gewalt aus, Wo, Wann, Wie häufig, Welche Formen gibt es? Aufgrund dieses Wissens und wegen eines differenzierten Blickes auf Eskalationsformen und Täterstrategien liegt heute der Schwerpunkt der Kurse auf Selbstbehauptung und früher Grenzziehung.

 

Zu Wendokursen gehört auch eine kritische Analyse von Gewalt gegen Frauen. Gewalt gegen Frauen wird als Ursache und Konsequenz von Geschlechter-Ungerechtigkeit gesehen. Das bedeutet konkret, dass Verantwortlichkeiten geklärt werden, d.h. die Verantwortung liegt bei der Person, die Gewalt ausübt und es gibt kein 'Victim Blaming'. Frauen werden aber nicht als passive Opfer gesehen: Zum einen werden Versuche (auch gescheiterte) der Gegenwehr gesehen und anerkannt, zum andern wird kritisch auf weibliche Sozialisation, die Gegenwehr erschwert, geblickt um Selbstbewusstsein, Selbstwert, die Überzeugung, dass Frauen sich wehren dürfen (und können), Selbstvertrauen und Intuition zu stärken.

 

Wendo wird immer in Gruppen unterrichtet. Die Gruppe ist ein Ort, an dem Erlebnisse - auch von erfolgreicher Gegenwehr - geteilt werden können. Individualisierung ("Das passiert bestimmt nur mir. Ich bin zu schüchtern, nett...") wird relativiert und es kommt zur Ko-Konstruktion von Wissen und Solidarität.

Wendokurse sind teilnehmerinnenorientiert, eigene Erfahrung und Erlebnisse, unabhängig von deren Härte haben Raum in den Kursen. Eigene Betroffenheit ist keine Teilnahmevoraussetzung aber auch kein Hinderungsgrund. Frauen mit und ohne eigene Gewalterfahrungen sind in den Kursen willkommen.

 

Neben Wissen spielt die Vermittlung von Know-how eine zentrale Rolle in Wendokursen: Handlungsmöglichkeiten bei alltäglichen ungewollten oder gewollten Grenzverletzungen sowie sexualisierter Gewalt durch Bekannte und Unbekannte (Männer oder Frauen) sind Thema auf der Ebene der Selbstbehauptung. Hier werden Techniken der Grenzziehung und des sich Durchsetzens (Körpersprache, Sprache, Stimme) unterrichtet. Handlungsmöglichkeiten bei aggressiveren Angriffen, versuchten Vergewaltigungen, körperlicher Gewalt durch Partner, Freunde oder seltener Unbekannte werden auf der Ebene der körperlichen Selbstverteidigung behandelt. Hier werden Selbstverteidigungstechniken (Schlag- und Tritttechniken und entsprechender Stimmeinsatz) vermittelt. Flucht wird von Vermeidung abgegrenzt und als eine zusätzliche Möglichkeit benannt .

Die Ebene der Selbstbehauptung nimmt hierbei einen zentralen Platz ein. Grenzverletzung und (sexualisierte) Gewalt sind im Geschlechterverhältnis eng miteinander verbunden: Da massivere Angriffe in aller Regel mit 'harmlosen' Übergriffen beginnen, wird frühes Agieren zum Zwecke der Deeskalation favorisiert. Aber auch das Beenden von alltäglichen Grenzverletzung ist erstrebenswert: Auch kleine Grenzverletzungen sind, wenn sie ausgehalten oder ignoriert werden auf Dauer schlecht für das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein, was es wiederum erschwert, sich abzugrenzen und zu wehren.

 

Die Vermittlung dieses Know-how geschieht vor dem Hintergrund, dass, damit Techniken funktionieren, sozialisationsbedingte Hemmungen (falls vorhanden) wie Angst, Unsicherheit, Peinlichkeit überwunden werden müssen und können.

So spielen auf allen Ebenen der Vermittlung von Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungs-Kompetenzen Selbsterfahrung und Gespräche eine wichtige Rolle. Verhaltensmuster, verinnerlichte (Geschlechter-)Normen und implizites Wissen können bewußt, kritisch reflektiert und im Fall verändert werden.

 

Die Techniken stellen keinen starren Regelsatz dar, sondern vielmehr eine Fülle an Möglichkeiten, je nach Einschätzung der Situation und eigenem Wunsch/eigener Entscheidung mit Gewalt und Grenzverletzungen umgehen zu können. Von zentraler Bedeutung ist der Gedanke, dass - unabhängig von Techniken - die Entschlossenheit, für die eigene Sicherheit und das eigene Wohlbefinden zu sorgen der entscheidende Faktor ist.

 

Ziel ist, durch Wissen und Know-how eine Neuausrichtung zu ermöglichen und über das Reagieren auf Handlungen von anderen hinaus den Blick auf die eigenen Wünsche und die eigene Handlungsfähigkeit zu konzentrieren/richten.

 

 

An wen richtet sich Wendo?

Gender

Unser Angebot richtet sich vor allem an Frauen und Mädchen.

Aber warum nur für Frauen und Mädchen?

Wendo wurde von Frauen für Frauen und Mädchen entwickelt, vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit patriarchaler Gewalt.

Wendo beschäftigt sich inhaltlich mit Normen, Grenzen und Einschränkungen, die mit Geschlechterrollenvorgaben eng verknüpft sind. Rollenvorgaben und der häufig damit verbundene Erwartungsdruck können leichter in geschlechtergetrennten Gruppen thematisiert werden. Das ist insbesondere für Mädchen leichter möglich in einem Zusammenhang, in welchem die zugewiesene Geschlechterrolle nicht stereotyp gelebt, dargestellt und vor allem nicht vor dem Hintergrund der Anwesenheit von Jungen oder Männern reproduziert werden muss. Wendo bietet so die Chance den vorgegebenen Rollenvorgaben alternative Rollenangebote und –muster hinzu zu fügen und diese für jede individuell auszuprobieren.

 

Sprache

In der Auseinandersetzung mit Zuschreibungen und Rollenvorgaben, die an Geschlecht geknüpft sind, stellt sich nach wie vor die Frage: Wer ist eine Frau? Wer sind Frauen? In diesem Kontext wird inzwischen häufig den Worten Frau oder Frauen ein Sternchen hinzugefügt, um deutlich zu machen, dass Frauen mehr sind, als das, was viele Menschen üblicherweise darunter fassen. Zum Beispiel, dass Frauen nicht alle eine Vulva, Kinder oder Brüste haben, Handtaschen mögen oder friedfertig sind.

Wenn wir Frauen schreiben, dann ohne Sternchen, weil wir finden, dass wir mit dem Sternchen dem Wort seine Inklusivität nehmen. Und wir wollen inklusiv sein.

Wir meinen mit dem Wort Frauen die wunderbaren Variationen der Menschen, die sich als Frau fühlen, wahrnehmen oder gesehen werden wollen. Egal ob Trans- oder Cis-, egal welche sexuelle oder Begehrens-Orientierung oder gar keine, Hautfarbe, Bildung, Alter, mit oder ohne Behinderung und vieles mehr. Für uns sind das alles Frauen ohne ein Sternchen oder einen anderen Zusatz. Wir verwenden den Begriff in seiner unveränderten Form, um uns einerseits auch auf unsere Geschichte aller kämpfender Frauen der Vergangenheit zu beziehen, ohne die es Wendo und unsere Möglichkeiten heute nicht geben würde. Wir verwenden Frauen ohne Sternchen oder Zusatz auch als kämpferischen Begriff, solange bis bei dem Wort Frauen wunderbare vielfältige Unterschiedlichkeiten gedacht werden.

Geschichte des Wendo

Wendo steht für die Abkürzung Women do it – Frauen tun es. Damit ist gemeint, dass Frauen sich zu wehren wissen und sich wehren.

Das Konzept Wendo wurde im Rahmen der Frauenbewegung in den 1970er Jahren in den USA und Canada entwickelt. In den sich damals gegründeten Frauengruppen nahm das Thema „Gewalt gegen Frauen“ eine zentrale Rolle ein. In der Auseinandersetzung mit dem Thema wurde deutlich, dass man nicht die einzige ist, die mit Gewalt konfrontiert ist. Die eigenen Analysen zeigten, dass die erlebte Gewalt in Verbindung mit der Abwertung als Frau aufgrund des Geschlechts gesetzt werden musste. Hier kann man zwei Stränge aufmachen: Neben der individuell erlebten physischen, psychischen und sexualisierten Gewalt, ging es auch um strukturelle Gewalt, wie zum Beispiel eingeschränkter Zugang zum Bildungssystem oder auch die bis heute noch merkbaren Lohnunterschiede.
Neben der Erkenntnis, dass Gewalt gegen Frauen vielfältig ist, ging es darum einen Ausweg aus diesem Unterdrückungsverhältnis zu finden, um somit aus der Verunsicherung, ob das was man erlebt hat überhaupt Gewalt ist, zu befreien.

Anfang der 1980er Jahre gelangte Wendo nach Deutschland und dann auch nach Gießen. Die ersten Trainerinnen, die ihr Wissen durch Kontakte zu amerikanischen Frauen erhalten hatten, gaben dieses an die örtlichen autonomen Frauengruppen weiter. Durch das Schneeballprinzip kamen immer mehr Frauen mit Wendo in Kontakt und schlossen sich in selbstorganisierten Gruppen zusammen um zu trainieren. Diese Gruppen waren meist in universitären Strukturen verhaftet, wobei sich bereits Anfang der 1980er Jahre die ersten Frauenvereine gründeten. Der Verein Unvergesslich Weiblich e.V. gründete sich ebenfalls in dieser Zeit.

Im Zuge der Institutionalisierung der Frauenbewegung hat sich auch Wendo institutionalisiert. Es wurden vermehrt Vereine gegründet und es entwickelten sich bundesweite Vernetzungsstrukturen. Auch veränderte sich die Ausbildungsstruktur. Wo Sie zu Beginn noch in autonomen Zusammenhängen mit Schneeballprinzip stattfand, entwickelten Anfang der 1990er Jahre die Vereine neue Ausbildungskonzepte und es fanden die ersten kostenpflichtigen Weiterbildungen statt. Dazu kam, dass auch die Kurse nur in Ausnahmefällen kostenlos durchgeführt wurden.

Unvergesslich Weiblich e.V. hat sich mit der Vereinsgründung zum Ziel gemacht, Wendo um die bisherigen Zielgruppe im autonomen—feministischen Studienkontext zu erweitern und die Zugänglichkeit für unterschiedliche Gruppen zu erhöhen und auch um die Finanzierung durch öffentliche Mittel zu erreichen. Damit verbunden ist auch die Thematisierung von sexualisierter Gewalt gegen Frauen und die feministische Analyse auf breiterer öffentlicher Ebene. Unvergesslich Weiblich e.V. versteht Wendo als einen wichtigen Strang innerhalb der feministischen Anti-Gewalt-Bewegung und als sinnvolle Ergänzung zu Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen und der staatlichen Gesetzesebene.

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